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Alles glänzt so schön neu

Ein Kommentar zu New Work 2021 
von Arne Gels, 
erschienen in Arbeit und Arbeitsrecht, Ausgabe 5/21, Seite 42 bis 43 (03. Mai 2021, 11:29 Uhr)

New Work ist spätestens seit der Pandemie wieder ein absolutes Trendthema. Dabei ist New Work tatsächlich seit mehr als 40 Jahren Trend, Ende der 70er-Jahre hat Frithjof Bergmann den Begriff in Umlauf gebracht und seine Definition ist auch heute noch die wesentliche Basis des Verständnisses von New Work. New Work dreht sich demnach um das, was der Mensch „wirklich, wirklich“ (von seiner Arbeit) will – wie es Bergmann immer wieder so schön formuliert (vgl. das Interview mit ihm in AuA 9/17, S. 530 ff.).

Veränderte Blickwinkel


In einem Beitrag von Dr. Stefanie Faupel, Caroline Zielke und Max Leichner wurde das Thema New Work zuletzt in AuA 3/21 näher beleuchtet. Ich selbst konnte beim 1. New Work Day 2021 der RETENCON AG als Moderator mit u. a. Julia Krohn, Geschäftsführerin Personal bei der Molkerei Gropper GmbH, Natalie Ecker, Head of HR bei IDnow, und Robert Frank, Vorsitzender des Aufsichtsrats von Salesforce Germany GmbH, mit Unternehmensverantwortlichen sowie mit Raphael Gielgen, Trendscout Future of Work der Vitra GmbH, einen Blick auf das Verständnis und die Umsetzung von New Work in der Praxis legen.

Sowohl die Expert*innen von Dr. Kraus und Partner als auch meine Gesprächspartner*innen haben den ersten Fokus bei der Definition auf den Arbeitsplatz gelegt. Die Pandemie hat hier – so das Fazit – in vielen Unternehmen die Blickwinkel verändert. Arbeitgeber haben verstanden, dass der Arbeitsplatz neu gedacht werden muss, flexibler in Raum und Zeit, und erkannt sowie erfahren, dass dieses Umdenken tatsächlich realisierbar ist.



New Work ist Arbeitsplatz – auch!


Der Arbeitsplatz ist für die angeführten Expert*innen Ausgangslage eines neuen Verständnisses von Arbeit, und da muss ich allen recht geben. New Work beinhaltet Aspekte des kollaborativen Arbeitens, der Freiheit der Mitarbeiter*innen, sich (für das Unternehmen) zu entfalten falten und optimale Bedingungen für das Einbringen der eigenen Leistung ins Unternehmen vorzufinden, im Einklang mit dem Privatleben. Raphael Gielgen macht dabei deutlich, dass Kreativität, Innovation, jedoch auch Strukturen durch den Arbeitsplatz gefördert werden. Somit hat der Einzelschreibtisch ausgedient, das Kollektiv ist die Zukunft des Unternehmens und die muss sich in der Arbeitsplatzgestaltung wiederfinden. Und der Mann kennt sich aufgrund seiner Berufung aus, hat viele Einblicke in Unternehmen.


Die Pandemie wird somit unisono als Beschleuniger von New Work gesehen, hat sie das bisherige Verständnis des Arbeitsplatzes auch in der Unternehmensführung doch zwangsweise in den Schatten gestellt. Und die Neuordnung des Arbeitsplatzes hat auch unmittelbaren Einfluss auf die Kultur, die der zweite wesentliche Faktor für New Work ist – auch hier sind sich die Expert*innen einig und ich kann nur zustimmen. Denn alle Maßnahmen und Angebote führen nur zum Ziel, wenn sie verstanden und angewandt werden. Hier führen die Expert*innen von Dr. Kraus und Partner zu recht an, dass auch die Folgen der Einführung von New Work akzeptiert und unterstützt werden müssen, die Flexibilität, Mitgestaltung und eine andere Hierarchiestruktur bedeuten.



Kultur ist vielseitig, die Ausgangslage entscheidet.


Und hier liegt für mich ein Punkt, den ich beim Thema New Work viel zu wenig in der Betrachtung sehe. Ich unterstütze vollends, dass die Kultur Grundlage der neue Form der Zusammenarbeit ist, dass Unternehmen Verantwortlichkeit

und die Entwicklung der einzelnen Mitarbeiter*innen fördern müssen. Das sind sicherlich auch Aspekte, die Frithjof Bergmann als Bestandteil seiner Definition betrachtet. Doch sind wir damit, kongruent zum für mich auch wichtigen Element des Arbeitsplatzes, in meinem Verständnis einen Schritt zu weit zum erfolgreichen New Work.


Warum? Ich komme zum Ursprung von Frithjof Bergmanns Definition zurück, die auch in der heutigen Zeit immer wieder angeführt wird: New Work ist das, was der Mensch „wirklich, wirklich“ will bzw. im heutigen Wording „sinnstiftende Arbeit“. Hier wird oft die Korrelation zum Start-up gezogen, welches sich einer hohen Beliebtheit erfreut, da Mitarbeiter*innen direkt mitgestalten können, flache Hierarchien vorherrschen und der Arbeitsplatz nach neuesten Anforderungen ausgestattet ist, vom Kickertisch, über Flexibilität, bis hin zum Open Space für kollaboratives, kreatives Arbeiten.


Das zahlt natürlich alles auf eine gefühlt sinnstiftende Arbeit ein, und eine motivierende Unternehmenskultur, die durch entsprechende Ausgestaltungen befördert wird, kann so gestärkt werden. Wohlgemerkt gestärkt, nicht von heute auf morgen eingeführt. Gerade bei der Kultur im Zusammenhang mit New Work richten wir meines Erachtens den Fokus zu schnell zu weit nach vorne, was in manchen Fällen dazu führt, dass ein entsprechenders Change nicht (wie gewünscht) gelingt. Wir sehen quasi bereits das Ziel, ohne losgelaufen zu sein, da wir im Sog von New Work auf die zentralen Aspekte des Verständnisses von neuer (Zusammen-)Arbeit setzen, ohne zuerst die Basics anzugehen. Das ist verständlich, ist das Ziel doch reizvoll und fördert den Fortschritt des Unternehmens.


Doch Kultur lebt halt von Authentizität, und wenn wir gemeinsam vorangehen wollen, sollten wir uns alle auf demselben Weg befinden. Das ist ein wenig wie mit den guten Vorsätzen zum Jahresstart. Wir fokussieren uns voll auf das Zielbild, erste Erfolge spornen an – sobald diese jedoch nicht mehr im gleichen Maße vorangehen und das Ziel noch in der Ferne bleibt, sinkt die Motivation und die Anfangseuphorie ist verflogen. Warum? Weil wir den Blick auf die Ausgangslage verlieren und nur noch das Zielbild als Maßstab nehmen.



Transparenz ist der Schlüssel zu New Work.


Daher sehe ich den Schlüssel zu New Work in der Transparenz. Frithjof Bergmann hat sich sein Bild der „neuen Arbeit“ auf einer Reise Ende der 70er-Jahre geschaffen und für sich bestimmt, dass Arbeit Entscheidungs- und Handlungsfreiheit erfordert. Und davon lebt New Work auch heute noch. Entscheidend für die beiden genannten Aspekte ist jedoch die Kenntnis der Ausgangslage. Und da können/müssen/sollten Unternehmen dazulernen und ansetzen, offen und ehrlich die Gegebenheiten anzusprechen und Transparenz walten zu lassen.


Identifikation, Verantwortlichkeit und Zusammenarbeit basieren auf einem gemeinsamen Verständnis und sind deutlich besser zu realisieren, wenn umfängliche Kenntnisse gegeben sind. Das rentiert sich insbesondere in herausfordernden Zeiten, weil der Überraschungsaspekt geringer ausfällt und alle konstruktiv und lösungsorientiert agieren können. Ich weiß, das ist ein großer Schritt insbesondere für die Unternehmensführung, doch aus persönlicheren Erfahrung mit eigenen Unternehmen und auch danach kann ich sagen, dass die Effekte so nachhaltig und vielseitig sind, dass es sich lohnt. Und am Ende glaubt ja niemand, dass der Schritt zu New Work ein kleiner ist. Fehlerkultur und Kollaboration funktionieren nur, wenn alle mitmachen und man bereits bei der Basis beginnt. Hier würde ich übrigens keine Trennung zwischen etablierten Unternehmen, Konzernen und Startups sehen – in allen Bereichen erlebt man immer wieder eine Intransparenz, was die tatsächlichen Gegebenheiten angeht, und teilweise verblendete Darstellungen.


Das versteht weder Bergmann unter New Work und sollten auch wir nicht mit New Work verbinden. Denn wenn wir mit Blick auf die Arbeit fragen, was der Mensch will, können wir davon ausgehen, dass das Sinnstiftendste für Mitarbeiter*innen ist zu wissen, woran sie sind und wofür sie warum ihre Energie einsetzen. Das ist der Start in New Work.


Übrigens haben gerade in der Pandemie viele Unternehmen erfahren können, wie positiv sich ein transparenter Umgang

gegenüber den Mitarbeiter*innen auswirken kann – um Unsicherheiten zu reduzieren und das  Gemeinschaftsgefühl zu stärken.




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