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Tausche alt gegen neu?

Ein Kommentar zu New Work 2021 
von Arne Gels, 29.06.2021
erschienen auf der Themenseite 'News und Veranstaltungen' unseres Kompetenzpartners VIACTIV https://www.viactiv.de/arbeitgeber/arbeitgeber/service-und-beratung/infothek/ag-news

Die Pandemie hat die Debatte um New Work noch einmal neu angefacht und ist in Bereiche vorgedrungen, die sich dieser Philosophie bisher eher verwehrt haben – Homeoffice, Homeschooling, Remote Work, flexible Arbeitszeiten – Unternehmen stellen ihre Arbeitsweise um und definieren darüber ihre Ansätze der Implementierung von New Work. Doch hat COVID-19 tatsächlich dazu geführt, dass wir jetzt oder zukünftig alle im Sinne von New Work agieren?

Dafür lohnt sich ein genauerer Blick auf die Definition des „New Work“, denn so „neu“ ist dieser Begriff gar nicht. Geprägt hat ihn Frithjof Bergmann Ende der 70er, als er sich auf einer Reise durch Europa ein Bild von der Arbeit gemacht und daraus sein Bild eines neuen Verständnisses von Arbeit entwickelt hat. Treiber war für Bergmann die Identifikation, die verschenkten Potentiale und die Innovationskraft, die aus der Verbindung der Mitarbeitenden zum Unternehmen hervorgehen sollte und die er in Korrelation zur Einstellung der Gesellschaft zur Arbeit sieht. Diese Ursprungsgedanken haben in den letzten 40 Jahren nicht an Strahlkraft verloren. Gerade Start-ups ziehen ihre Beliebtheit aus vielen Punkten, die im New Work und den Gedanken von Bergmann verankert sind.


Alles glänzt so schön neu


New Work ist somit als Bindeglied zwischen Mitarbeitenden und Unternehmen, für eine in beide Richtungen gemeinschaftlich vorangetriebene Zukunft, zu sehen. Da sie vor allem auf Identifikation beruht – Bergmann spricht hier vor allem vom Aspekt der sinnstiftenden Arbeit, welche die vorhandenen Potentiale im Menschen als Basis für Innovation, Kreativität und Entwicklung fördert oder vielleicht erst hervorruft. Und an dieser Stelle wird deutlich, dass New Work mehr ist als das flexible Arbeiten – also das situativ und ortsunabhängig flexible –, welches die Pandemie aktuell flächendeckend ermöglicht. Der Arbeitsplatz und insbesondere die im Arbeitsplatz ruhenden Möglichkeiten der neuen Gestaltung von (Zusammen-)Arbeit sind wichtige Elemente, die eine neue Form der Arbeit bestärken können. Sie sind eine Rahmenbedingung für Aspekte des New Work, sie sind jedoch noch kein New Work.


Ich möchte nicht, dass man mich falsch versteht, ich bin erfreut – die vielen und überwiegend negativen Begleiterscheinungen nehme ich an dieser Stelle aus dem Diskurs heraus und bitte, mich auch da nicht falsch zu interpretieren. Ich möchte nichts schönreden oder verharmlosen – dass wir durch die Hygiene- und Kontaktbeschränkungen mittlerweile nicht mehr darüber reden, ob wir Arbeitsplätze neu verstehen müssen. Jedoch bin ich glücklich, wenn wir damit nicht aufhören, sondern auch die Art, wie wir im Unternehmen zusammenarbeiten, neu denken. Also nicht nur die Außenwahrnehmung und das Neue als Glanzpunkt im Blick haben, sondern auch die Vergangenheit und Ihre Verwurzelung berücksichtigen.


Kein zurück auf Start


Der Weg dahin ist gar nicht so weit, auch wenn es ein nicht endender Weg sein wird. New Work wird sich aufgrund der sich kontinuierlich verändernden Rahmenbedingungen immer weiter entwickeln (müssen).
Grundlegende Elemente des New Work haben wir bereits durch die neue Arbeitsplatzgestaltung im Homeoffice in die Unternehmenskultur aufnehmen können bzw. manches Unternehmen teilweise auch müssen – denn Vertrauen und (Eigen-)Verantwortlichkeit gehören zu einer zielführenden Remote Work zwingend dazu. Ohne diese Voraussetzungen lässt es sich nicht zielführend umsetzen. Jetzt gilt es, aus dieser soliden Basis die richtigen Rückschlüsse zu ziehen, für eine nachhaltige Neuaufstellung.


Wir hoffen alle, dass mit einer Entspannung der aktuellen Situation eine Rückkehr zu einer gewissen Normalität entsteht. Diese Rückkehr sollte jedoch gerade mit Blick auf das Arbeitsumfeld kein „Zurück auf Start“ sein. Nutzen wir die Ansätze des Remote Work und münzen sie in unsere Werte und Kultur: Die mögliche Flexibilität einsetzen, wo sie zielführend und unterstützend ist, Räume für Kollaboration schaffen – in Form von Arbeitsplatzkonzepten, jedoch auch in einer neuen Form der Zusammenarbeit über bisherige Grenzen hinaus, agieren in und getragen von (Eigen-)Verantwortlichkeit, mehr Transparenz für ein gemeinschaftliches Agieren und eine gesteigerte Achtsamkeit auf das Umfeld sowie Kommunikation in Richtung der Mitarbeitenden – all das war situativ und kontextorientiert die letzten Monate möglich und ermöglicht in einer nachhaltigen Verankerung einen großen Schritt hin zur Philosophie des New Work. Denn bei der Bewertung zur sinnstiftenden Arbeit hängt auch viel davon ab, wie sehr wir uns mit eben dieser identifizieren. Identifikation ist getragen vom eigenen Einfluss sowie Beitrag und damit einer Verantwortlichkeit. Und da schließt sich der Kreis.


Reduzieren wir New Work und unseren Fortschritt in Richtung Arbeitswelt der Zukunft nicht auf den flexiblen Arbeitsplatz, sondern nehmen das gefordert und gefördert mit, was damit zusammenhängt, bzw. was dem innewohnt. Zur Verfügung gestellte Strukturen alleine verbessern noch keinen Prozess, es ist die zielführende und bestenfalls authentische Anwendung, die diese mit Leben und Nachhaltigkeit füllt. Damit leben die traditionellen Wurzeln fort und tragen zum Fortschritt bei.


Neues Spiel, neue Regeln


Und by the way: Wenn wir Verantwortlichkeit von unseren Mitarbeitenden wünschen und fordern, ist es ratsam, als Arbeitgeber ebenso eine Verantwortlichkeit zu leben. Diese zeigt sich z. B. in der Für- und Vorsorge und einer Wahrnehmung der Belange der Mitarbeitenden auch mit Blick auf ein verändertes Arbeitsumfeld. Wenn wir die Spielregeln und Rahmenbedingungen anpassen, können/sollten/müssen wir auch die Arbeitgeberverantwortlichkeit an die neuen Gegebenheiten entsprechend angleichen. Flexibles Arbeiten bedeutet auch immer eine geringere Trennungslinie zwischen Arbeits- und Privatleben, eine höhere Erreichbarkeit und damit kontinuierlichere Belastung, unterschiedliche Arbeitsumgebungen mit differierenden äußeren Einflussfaktoren, etc.


Hier entsteht eine Chance, die Verbindung der Mitarbeitenden zum Unternehmen durch Wertschätzung und Anerkennung zu fördern und die Unternehmenskultur in Richtung einer starken Gemeinschaft zu entwickeln. Nehmen wir als verantwortungsvolle Arbeitgeber also auch das Wohlbefinden unserer Mitarbeiternden mit ins neue Zeitalter der Arbeitswelt und unterstützen dieses durch eine entsprechende Arbeitsplatzgestaltung sowie den notwendigen Freiraum und Angebote für Ausgleich und Erholung. Am Ende werden alle davon profitieren, wenn nicht Stresslevel und Angespanntheit steigen und das Umfeld (mit-)leidet, sondern der Gedanke von Frithjof Bergmann lebt – der von einer Arbeit, die sich der Mensch wünscht. Werfen wir also nicht alles über den Haufen, im Scheine der sich durch die Pandemie veränderten Arbeitswelt, tauschen wir nicht einfach Alt gegen Neu – New Work ist mittlerweile auch bereits 40 Jahre alt und weiterhin hochaktuell – sondern besinnen wir uns auf das, was uns aus der Vergangenheit heraus in die Zukunft geführt hat. Lasst uns Freiräume schaffen, Arbeit individuell sowie für das Kollektiv neu denken und dabei nicht vergessen, dass es nicht immer schneller, höher, weiter gehen kann. Achtsamkeit, Wertschätzung und Verantwortlichkeit waren und sind die Tugenden einer sinnstiftenden Arbeit.


Meine Meinung – vielleicht sehen und verstehen Sie New Work anders? Dann sprechen wir gerne darüber. Auch dazu, was Arbeitgeber für Möglichkeiten haben, Achtsamkeit und Für- sowie Vorsorge im Umfeld der Philosophie des New Work zu zeigen und zu etablieren. Von- und miteinander lernen ist ein wichtiger Aspekt des New Work-Ansatzes, füllen wir ihn mit leben.




„Du musst von den Fehlern anderer lernen.

Du kannst einfach nicht lang genug leben, um sie alle selbst zu machen.“ 


Sam Levenson, Humorist, Schriftsteller


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