VW strukturiert seinen Konzern gerade immens um. Die Geschehnisse rund um den Diesel-Betrug haben zu einem Umdenken geführt, führen müssen. Der Klimawandel und seine Folgen sowie die darum gelagerte Diskussion tuen ihr übriges dazu.
Der Volkswagen Vorstandsvorsitzende Herbert Diess verkündete in seiner „Strategie 2025“, dass VW ab 2026 keine reinen Verbrenner mehr bauen wird. Das Werk in Zwickau wird in dem Zuge eine reine Elektrofahrzeug-Produktionsstätte, ab 2021 sollen dort bis zu sechs Fahrzeuge in Serie vom Band gehen.
Transformation erfordert Umdenken
Ein Schritt, der nicht nur für den Markt einschneidend ist, hängt doch sehr viel an einer entsprechenden abrupten Richtungsänderung. Zulieferer, Städte mit Ihrer Infrastruktur, Stromanbieter, Kunden – alle müssen reagieren und sich mit Ihren Anforderungen auf neue Gegebenheiten umstellen. Ich möchte jetzt nicht in die Diskussion einsteigen, ob dieser Schritt in der Form richtig ist oder eine Strategie auch unter Einbindung von Wasserstoffantrieb sinnvoll wäre. Da gibt es Experten, welche das besser beurteilen können. Vielmehr möchte ich darauf eingehen, dass dieses auch für den Mitarbeiter ein Einschnitt ist. Für viele Unternehmen gilt:
Tätigkeitsfelder verändern sich, neue Kompetenzen werden benötigt, diverses, bisher immens wichtiges Know-how für den Unternehmenserfolg wird in der Form der letzten Jahre nicht mehr benötigt. In Zeiten, wo das Thema Employer Branding wieder deutlich mehr Relevanz gewinnt, Fachkräftemangel herrscht und sich die Situation am Arbeitsmarkt durch den demographischen Wandel in den kommenden Jahren weiter verschärfen wird, gilt es die eigenen Mitarbeiter auf dem Weg in die neue Zukunft mitzunehmen. Und für die Transformation auch des eigenen beruflichen Weges zu begeistern.
Stellt man die letzten – ja trotz des Diesel-Betrugs – erfolgreichen Jahre und die gute und bis vor kurzem gelobte Arbeit auf einmal in Ihrem Ergebnis, dem entstandenen Produkt indirekt in Frage, indem man sagt, wir müssen jetzt alles anders machen, droht man den Mitarbeiter zu verlieren. Was stört mich mein Geschwätz von gestern ist sicher die falsche Philosophie. Insbesondere wenn zeitgleich in der Öffentlichkeit eine kontroverse Diskussion geführt wird, ob man sich nicht zu sehr von äußeren Meinungen beeinflussen lässt und in puren Aktionismus verfällt. Die Energieversorger können sicher nach der abrupten Energiereform ein Lied davon singen. Das kann zu Verunsicherung führen. Und Verunsicherung verhindert Fortschritt.
Von der Vergangenheit zur Zukunft
Wie schön, das VW sich in diesem Zuge entsprechende Gedanken gemacht hat, wie man zum einen Mitarbeiter abholt und gleichzeitig motiviert, die erfolgreiche Geschichte des Konzerns gemeinsam weiter zu schreiben.
Im VW-Werk in Zwickau hat man für die Mitarbeiter unter anderem Escape-Rooms eingerichtet, welche thematisch die Geschichte des Automobils bis hin in die Zukunft behandeln. Die Escape-Room-Systematik funktioniert so: Ein Team wird in einen Raum eingeschlossen. Sie haben nun die Aufgabe, in einem gegebenen Zeitfenster aus dem Raum zu entkommen. Die Spieler untersuchen dafür zusammen die Umgebung und Lösen über das Nutzen von Hinweisen gestellte Rätsel, bis sie entweder den Schlüssel gefunden oder den Code zum Öffnen der Tür entschlüsselt haben. Die Aufgaben und Rätsel haben im Falle des VW-Escape-Room alle mit dem Thema Automobil zu tun. Die Teams erfahren aktiv die Entwicklung und den schon vollzogenen Wandel. Und können so von Raum zu Raum - bei VW gilt es 3 Räume zu durchqueren, bis man wieder in „Freiheit“ ist - mehr Verständnis entwickeln für die Transformation einer Branche – ja, die gab es auch schon vorher – und des eigenen Unternehmens.
Das Positive bei diesem Vorgehen: Der Nutzer befindet sich im spielerischen Kontext, was bedeutet, er ist durch die Aspekte Herausforderung, Ehrgeiz, Selbstverwirklichung, Neugier und Feedback/ Belohnung in einem erhöhten Aufmerksamkeitsstadium, ist aktiv, bringt sich - ins und für das Team - ein sowie strebt Fortschritt zur Zielerreichung an. Und auf diesem Weg nimmt er nebenbei, durch das aktive Anwenden zur Lösung, tiefgreifender Informationen und Wissen auf. Was ich bei dieser Lösung besonders spannend finde: Durch die im Team zu bewältigenden Aufgaben schaffe ich auch gleich eine Korrelation zu Anforderungen an zukünftiges, sehr viel stärker kollaborativ ausgerichtetes Arbeiten. Wenn ich hier sehr heterogene Teams zusammenstelle, kann ich gleich eine notwendige neue Vernetzung von Bereichen im Unternehmen fördern, getragen vom erfolgreichen „Escape“ durch das Einbringen der Kompetenzen und Stärken aller Teammitglieder.
Die Mühe hat sich übrigens laut Aussage der Verantwortlichen von VW gelohnt: Die überwiegende Anzahl der Mitarbeiter hat die Maßnahme überzeugt. Im Werk bei den Escape-Rooms hängt eine Plakatwand, auf der die Teilnehmer mit einem Klebepunkt auf einer fünfstufigen Skala den Lehrgang bewerten können. Die Bewertung zeigt deutlich die Akzeptanz: In der zweitbesten Bewertungskategorie hängen eine Handvoll Punkte, in der ersten ist kaum noch freie Fläche vorhanden. Und die hinteren Bewertungskategorien sind frei.
Ich persönlich freue mich wirklich über diese Maßnahme und wünschte, noch mehr Unternehmen würden hier ähnlich agieren. Wenn Unternehmen den Mitarbeiter mitnehmen, ihn involvieren, kann nicht nur Akzeptanz für so manche (notwendige) Maßnahme geschaffen werden. Es kann der Bezug zur Unternehmung und seinen Werten und seiner Historie sowie auch zu den Kollegen aufgebaut, erneuert oder geschärft werden. Um aus diesem Bezug heraus die Geschichte erfolgreich gemeinsam weiter zu schreiben.