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Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit

Was wir vom Rückzug Uli Hoeneß von der aktiven Bühne lernen können. Eine Führungskraft muss auch Influencer sein. Ansonsten verliert sie den Rückhalt und schadet im schlechtesten Fall der Unternehmung ...

von Arne Gels | 14.01.2020
Nun ist es also offiziell. Uli Hoeneß verlässt die große Bühne des FC Bayern. Zumindest hat er es angekündigt. Wie er es dann tatsächlich lebt, wird man sehen. Bei Uli Hoeneß kann man nie sicher sein. Und gleichzeitig von einer der Konstanten der Bundesliga sprechen. 50 Jahre ist Uli Hoeneß mittlerweile in der Bundesliga aktiv. Und steht dabei für den FC Bayern München wie kein anderer. Nicht nur als Spieler, insbesondere als Manager von 1979 an, hat er den Verein geprägt und zu einem der wertvollsten und erfolgreichsten Vereine der Welt geformt. Den FC Bayern als Uli Hoeneß Lebenswerk zu bezeichnen ist daher mit Sicherheit nicht untertrieben. Zu groß sein Engagement, zu leidenschaftlich die Verteidigung des Clubs in allen Lagen und gegen jeden. Seine Objektivität hat er dabei oft verloren – irgendwie auch normal bei einer solch hohen emotionalen Gebundenheit. Je mehr Erfolge kamen, je mehr bildete sich auch eine Front gegen den Club und umso stärker verteidigte Uli Hoeneß den FC Bayern gegen diese. Darüber wurde er so sehr zur Identifikationsfigur des Clubs, dass sich in den 90er und 00er Jahren kaum ein Fan des Vereins vorstellen konnte, wie es mal sein würde, wenn „der Uli“ nicht mehr da ist. 

Heute, zum Zeitpunkt seines Rückzugs, hat sich das Bild verändert. Sicherlich, Respekt und Dank für sein Lebenswerk wird gezollt und ist ihm zu recht sicher. Groß aufhalten will ihn aber auch kaum jemand, nicht mal der Bayern-Fan. 

Wie konnte es dazu kommen? Das schwarze Kapitel der Steuerhinterziehung und seiner Folgen möchte ich bei der Begründungssuche ausblenden. Denn meines Erachtens spielt dieser Punkt in dem fehlenden Gegenwind, der ihn vom Rückzug aufhalten könnte, gar nicht die wesentliche Rolle. Vielmehr liegt es in der Tatsache, dass die Zeit voran geschritten ist, Uli Hoeneß aber nicht mitgegangen ist, Fortschritt ignoriert, bzw. sogar teilweise verweigert hat. Was dazu führte, dass er irgendwann – insbesondere nach seiner Rückkehr aus der Haftanstalt Rothenfeld – die Kontrolle über das Geschehen und damit sein Standing verlor. 

Rückblick: Wenn wir eine Korrelation zum Unternehmenskontext ziehen, war Uli Hoeneß das, was sich jedes Unternehmen unter dem Aspekt des Employer Branding wünscht. Er lebte den FC Bayern und verteidigte ihn bis auf das Letzte. Volles Engagement. Quasi alles für den Dackel, alles für den Club. Als Hauptverantwortlicher tat er was nötig war, um sein Unternehmen zu schützen. Lief es schlecht, polterte er gern mal irgendeine Lawine los. Sicher etwas, dass die wenige Gegenliebe außerhalb der Bayern-Familie noch verstärkt hat. Doch er tat es stets mit Kalkül. So lenkte er die Medien und Aufmerksamkeit von der Mannschaft ab und gab ihr in schwierigen Zeiten Ruhe. Denn nun richtete sich erst einmal alles gegen ihn und seine These. Zugleich wusste jeder im Verein, wenn „der Uli“ wieder extern poltert, haben wir ein Problem, an dem es schnellstens zu arbeiten gilt. Sein agieren war dabei oft von Erfolg gekrönt. So konnte er die Außenwelt schonmal eine Woche beschäftigen und intern wurden Dinge geklärt. Übrigens auch in „normalen“ Wirtschaftsunternehmen ist dieses vorgehen nicht vollständig unbekannt gewesen. Doch die Medienwelt wandelte sich. Das Internet hat das Mediennutzungsverhalten verändert und durch die Omnipräsenz dazu geführt, dass die Halbwertzeit von News sich stark reduziert hat. Medien stehen vor der Herausforderung, immer schneller und immer spektakulärer zu berichten, um Nutzer zu überzeugen und zu halten. Sichtbarkeit bedeutet Erfolg. Die Kommunikation erfolgt in Echtzeit und kaum etwas bleibt verborgen. Bedingt und unterstützt durch die technischen Gegebenheiten - Smartphones mit (Video-)Kameras, vernetzte Welt, etc. – führt das zu einer schnelllebigeren und transparenteren Gesellschaft. 

Eine thematisch gesetzte Lawine ist da manchmal schon innerhalb eines oder von zwei Tagen abgearbeitet, bzw. wird der Fokus schnell wieder verschoben. Ein Punkt, den die Politik sich mittlerweile bei Skandalen zu Gute macht. Doch Uli Hoeneß konnte mit dieser Welt nichts anfangen, sah in ihr nur das Negative. Wenn man so manche Ausprägungen dieser ununterbrochenen Kommunikation durch alles und jeden wahrnimmt, kann ich ihn sogar verstehen. Was z.B. Spieler mittlerweile so in die Welt raus posten, ist zum einen zweifelhaft, zum anderen hat es mit der Spielerwelt, die Uli Hoeneß kennt, nichts mehr zu tun. Uli Hoeneß versucht diese negativen Aspekte – die auch dazu führten, dass er die Medien nicht mehr so im Griff hatte, mit seinen ihm bekannten Methoden – zu eliminieren, indem er sie verweigerte und angriff. In mehreren Interviews hat er diese Position deutlich gemacht. Dabei ist Uli Hoeneß der geblieben, der er war. Mit seinem Weltbild, wie es zu laufen hat. 

Wie gesagt, ich kann ihn zu teilen verstehen. Auch ich empfinde manches an der anderen, alten und etwas langsameren Medienwelt vorteilhaft. Auch als Fußballfan. Die Zeitung hatte früher eine ganz andere Bedeutung, ging es um News aus dem favorisierten Club. 

Die Spannung war durch Exklusivität höher, Informationen waren ein rares Gut. Doch ist mir klar, dass sich der Fortschritt nicht aufhalten lässt. So sehr ich mich auch dagegen wehren würde. Und hier unterscheide ich mich dann von Uli Hoeneß. Ich habe mich damit vertraut gemacht. Und über die Erfahrung einen für mich akzeptablen Weg gefunden. Was bedeutete, dass auch ich mich verändert und anpasst habe. Wir können uns über das An- und Abstellen von Twitter-Accounts von Politikern lustig machen, wenn es gerade mal gut oder nicht gut läuft. Es zeugt jedoch auch davon, dass diejenigen sich zumindest damit auseinandersetzen und nun ein besseres Verständnis dafür haben. Auch von den Auswirkungen eigenen Handelns. Lernen durch Fehler führt zur Rekapitulation und Optimierung. Uli Hoeneß hat nicht gelernt. Er hat es einfach ausgeblendet. Und greift ungeliebtes dann an, in der Hoffnung es dadurch zurückzustufen. Ein zurück wird es in der neuen Medialität jedoch nicht geben. Vielleicht hätte ein eigener Twitter-, Facebook- oder Instagram-Account ja dazu geführt, dass dem FC Bayern und auch den Bayern-Fans die denkwürdige Pressekonferenz vom 19. Oktober 2018 erspart geblieben wäre. Dann hätte Uli Hoeneß sich tiefer mit der „neuen“ Medienwelt auseinandergesetzt, hätte die Mechanismen analysiert und daraus für sich Lehren gezogen. Und er hätte vielleicht seine Taktik angepasst. So stand am Ende eine Medienschelte, die zum Boomerang wurde. Uli Hoeneß war wieder in seinem Element, versuchte immer noch einen drauf zu setzen, griff an, was ihm missfiel. Und reagierte dabei kongruent zu dem gesetzten Vorwurf an die Medien (Anm. Juan Bernat). Sicherlich auch, um von der aktuellen Krise rund um die Mannschaft abzulenken. Ohne Frage, das Streben der Medien, ohne Rücksicht fast ausschließlich den Skandal zu entdecken und weniger nur zu berichten, hat abstruse Formen angenommen. 

Früher gab es in dem Verhältnis mehr ein Geben und Nehmen zwischen den Parteien. Doch die Medien und insbesondere Journalisten stehen unter Druck. Zu hoch der Wettbewerb, zu schnell ist eine Meldung veraltet. Das muss man einberechnen. 

Ein wenig ähnelt es Uli Hoeneß verhalten, wenn der FC Bayern unter Druck ist. Da hat er ebenso agiert. 


„Alles, was wir im öffentlichen Raum preisgeben, 
ist kollektive Information, die dauerhaft auf- und abrufbar ist.“

Sicher, die Kommunikation ist nur eine Ausprägung, die verdeutlicht, wie Uli Hoeneß und der marktkonforme FC Bayern sich auseinander bewegt haben. Doch jedem muss klar sein, dass in der heutigen Zeit die eigene öffentliche Wortwahl, das öffentliche Auftreten eine viel größere Auswirkung und vor allem Außenwirkung hat. Es ist kollektive Information, die dauerhaft auf- und abrufbar ist. Um damit im Sinne seines Verantwortungsbereichs und im eigenen Sinne gut umzugehen, bedarf es einer intensiven Auseinandersetzung mit den Methoden und Mechaniken. Das kann nur durch Schulung und aktiven Kompetenzaufbau erfolgen. Denn was wir kennen können wir besser beherrschen. Um aus dem Learning unsere Kultur im Verein respektive Unternehmen darauf auszurichten und positive Aspekte für sich zu nutzen sowie negative möglichst zu vermeiden. Ausblendung hilft nicht weiter, sondern wirft im Wettbewerb eher zurück. Der FC Bayern hat äußerst erfolgreiche soziale Medienkanäle und nutzt diese gezielt für seine Zwecke. Es gehört deshalb dazu, dass dieser erfolgreiche Kanal auch durch Führungskräfte unterstützt und gelebt wird. Denn Führungskräfte geben das Vorbild für die Mitarbeiter und stehen für den Fortschritt ein. Sie sollen eine Unternehmung in die Zukunft führen. Da muss die Führungskraft Influencer sein. Ansonsten verliert sie den Rückhalt und schadet im schlechtesten Fall der Unternehmung. Es ist gut und wichtig, feste Standpunkte zu haben, Werte und Tradition zu verteidigen – insbesondere wenn ich beim Fußball an Halbzeitshows, Lichtorgel beim Tor und ähnliche Inszenierungen rund um das Ereignis Fußball denke. Und bestimmte Werte halten Tradition am Leben. Alles in dem Maße, wie es den Weg in die Zukunft fördert und nicht behindert. Dafür hängt zu viel daran. Für zu viele. 

In einigen Wirtschaftsbereichen dürfen wir in Deutschland miterleben, dass der Erfolg von gestern heute nicht mehr zählt und heutiger Erfolg morgen schon vergangen sein kann. Nach dem Spiel ist vor dem Spiel und führen heißt voran gehen und nicht stehen bleiben – Ja, ich schmeiße 15,- € ins Phrasenschwein. Es ist immens wichtig, dass Führungskräfte Weiterbildung an- und aufnehmen und das vorleben, was sie von ihren Mitarbeitern erwarten. Kompetenz im aktuellen Tätigkeitsfeld und visionär darüber hinaus zu zeigen. Zu den Marktgegebenheiten und nicht im Rahmen der eigenen Wunschvorstellung. Es gilt Führungskräfte mehr in Verantwortung zu nehmen, dass sie aktiv unterstützend und motivierend agieren und Fortschritt nicht durch eine kritisierende Positionierung unterbinden, sondern versuchen zu integrieren. Ansonsten sollte man ihnen die Verantwortung aus Verantwortung für die Unternehmung nehmen. 

Ich habe größten Respekt vor dem, was Uli Hoeneß geschaffen hat. Er hat nicht nur für den FC Bayern, auch für die gesamte Bundesliga sowie den Deutschen Fußball wahnsinnig viel bewegt. Und allein durch die Streitbarkeit seiner Person hat er das Interesse hoch gehalten. Aber was früher funktionierte, funktioniert heute nicht mehr im gleichen Maße. Da muss man in manchen Dingen mit der Zeit gehen. Sich anpassen. Oder mit der Zeit gehen. Insofern ist es aufgrund der Verdienste für den FC Bayern und die Bundesliga einerseits schade, andererseits gut, dass Uli Hoeneß sich zurückzieht. Vielleicht erfolgt der Schritt sogar etwas zu spät für einen Abschied, der ihm und seinem Lebenswerk würdig gewesen wäre. Trotzdem möchte ich mich bei Uli Hoeneß bedanken. Für das was er geleistet hat und auch, dass er eingesehen hat zu gehen. 

Manche Führungskraft und manches Unternehmen sollte im Zuge dessen einmal tief in sich gehen. Wir können und müssen alle noch viel lernen. Gehen wir es an. Weiter immer weiter…


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